Palmöl: Jahrelanger Landkonflikt eskaliert – Vertreibung und Morde sind die Folge
Palmöl gilt als Rohstoff mit hohen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken. Trotzdem werden weiterhin massenhaft Palmöl und Palmkernöl nach Deutschland importiert. Zuletzt vermehrt aus Mittelamerika, wo eine massive Ausweitung der Anbauflächen vorangetrieben wurde. Die Folgen vielerorts: Wasserverschmutzung, Arbeitsrechtsverletzungen und Landraub. Besonders im honduranischen Aguán-Tal entspannt sich ein blutiger Konflikt, in dem Mitglieder von Bauernkooperativen bedroht und vertrieben, sogar ermordet werden.1
Der Konflikt ist verbunden mit der Palmölproduktion des Unternehmens Corporación Dinant. Seit über zwei Dekaden ist im Aguán-Tal Gewalt gegen Kleinbauern durch bewaffnete Gruppen virulent. Diese Gruppen, so der Vorwurf, handeln im Auftrag von Dinant und werden aktiv zur Einschüchterung und zur Vertreibung der Bäuerinnen und Bauern eingesetzt.2 Im Oktober 2024 stimmte ein US-Gericht einem Vergleich zu, in dessen Rahmen die Kläger*innen – Bäuer*innen aus dem Aguán-Tal – fast fünf Millionen US-Dollar von der Entwicklungsbank IFC erhalten. Die Bank hatte vor über 15 Jahren dem Unternehmen Dinant einen Kredit gewährt, um im Aguán-Tal Plantagen mit Ölpalmen zu errichten.
Von Anfang an gab es harsche Kritik von Umweltschützenden und Menschenrechtsverteidiger*innen. Sie sollten recht behalten: „In den folgenden fünf Jahren führten Bauerngruppen trotz des Widerstands von Dinant und anderen agroindustriellen Konzernen sowie der durch den Putsch an die Macht gekommenen Regierung massive Landrücknahmen durch. Dabei wurden auf den mehrere tausend Hektar großen industriellen Palmplantagen etwa 150 Campesinos getötet oder verschwanden spurlos.”3 Obwohl die massive Gewaltwelle später abebbte, blieben Repression und Einschüchterung gegenüber den Agrarkooperativen bestehen. Eine Intervention der Interamerikanischen Menschenrechtskommission sorgte für eine relative Verbesserung der Situation der Kooperativen4 und die 2022 gewählte Präsidentin Xiomara Castro hatte nach Amtsantritt den kleinbäuerlichen Genossenschaften den Schutz ihrer Landrechte in Aussicht gestellt5.
Doch bis heute hat die von Castro angekündigte Kommission zur Aufarbeitung der Konflikte nicht mit der Arbeit begonnen.6 Das hatte Folgen. Seit Ende 2024 eskaliert die Gewalt im Agúan-Tal erneut, was zu der Vertreibung von über 150 Familien einer Agrargenossenschaft führte,7 drei Menschen wurden allein bis Mitte Mai 2025 ermordet.8 Agrarkooperativen berichten von mindestens zwei weiteren Todesopfern seit Ende Mai 2025.9 Die Kooperativen klagen außerdem über Wasser- und Umweltverschmutzung, ausgehend von den Monokulturplantagen der Ölpalmen.
Romero Initiative (CIR) berichtet bereits Anfang 2024 über den Fall
Die Romero Initiative (CIR) hat den Fall Dinant dokumentiert und bereits zu Beginn des Jahres 2024 im Rahmen einer Studie darüber berichtet.10 Auch in der internationalen Presse wird der „Fall Dinant“ immer wieder beleuchtet und auch die interamerikanische Menschenrechtskommission macht auf die Gewalt aufmerksam.11 Trotz dessen fand die CIR die Firma Dinant weiterhin in den Lieferketten zahlreicher Unternehmen – auch in Deutschland – wieder. Trotz der enormen menschenrechtlichen Risiken gelangte Dinant im vergangenen Jahr an eine Zertifizierung durch den Runden Tisch für Nachhaltiges Palmöl (RSPO), was von NGOs als skandalöse Entwicklung bewertet wird und die Glaubwürdigkeit dieses Siegelgebers massiv beschädigt.12
Brandbrief von 32 Organisationen an Unternehmen mit Dinant in der Lieferkette
Nach der Eskalation seit Ende 2025 fordern 32 Organisationen in einem Brandbrief Unternehmen, die Palmöl von Dinant beziehen, auf, ihre Geschäftsbeziehungen zu suspendieren bis der Konflikt friedlich gelöst ist.13 Der Brief machte deutlich, dass die Risiken, die mit einem Handel mit Dinant einhergehen, bekannt sind und die Rechtsverletzungen umfassend dokumentiert wurden. Infolge der Dokumentation und der Hinweise durch den Brandbrief haben zahlreiche Unternehmen Beschwerdeprozesse eingeleitet, um ihre Lieferketten zu überprüfen. Unternehmen wie BASF, Nestlé und Bunge haben die CIR bereits über die Suspendierung von Dinant in ihren Lieferketten informiert.
Aktueller Schritt: BAFA-Beschwerde, um Unternehmensverantwortung zu prüfen und Maßnahmen zu forcieren
Anfang April 2025 reichten schließlich zwei Kooperativenmitglieder aus dem Agúan-Tal eine LkSG-Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ein. Ziel der Beschwerdeführer ist es, prüfen zu lassen, welche Unternehmen ihrer Verantwortung gerecht geworden sind – und welche nicht. Sorgfaltspflichtige Unternehmen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und sofort Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen umsetzen, damit die Gewalt im Agúan gestoppt wird. Die Beschwerdeführenden fordern von Unternehmen in Deutschland weiterhin, Dinant so lange aus den Lieferketten zu verbannen, wie Gewalt und Einschüchterung fortgesetzt werden.
Auch wenn die Prüfung durch das BAFA noch andauert, hat das LkSG bereits eine positive Wirkung entfaltet:
- Auf den Webseiten von LkSG-pflichtigen Unternehmen müssen Hinweis- und Beschwerdeportale zu finden sein, über die Unternehmen auf Missstände hingewiesen und zu einer Prüfung aufgefordert werden können. Im Dinant-Fall wurden die Hinweise durch die CIR eingebracht. Die Meldekanäle stehen grundsätzlich allen Hinweisgeber*innen offen und können auch anonym genutzt werden.
- Öffentliche Berichterstattung und Wissen über Missstände triggert die im LkSG enthaltene Regelung über „substantiierte Kenntnis“. Das bedeutet, dass Unternehmen sich auch mit dem Fall beschäftigen müssen, wenn keine Hinweise über die Meldeportale eingehen, aber sie Kenntnis über die Missstände erlangt haben. Im Fall Dinant informierte die CIR Unternehmen und Brancheninitiativen via E-Mail über die Risiken, die mit dem Handel von Öl des Herstellers einher gehen.
- Das LkSG schreibt vor, dass alle großen Unternehmen klare Prozesse implementieren müssen, die zum Beispiel durch Beschwerden in Gang gesetzt werden. Diese Pflicht führte dazu, dass zahlreiche Unternehmen bereits Konsequenzen zogen, Maßnahmen ankündigten oder sogar die Lieferbeziehungen mit Dinant ausgesetzt haben.
- Bei internationalen Unternehmen gelten diese Konsequenzen häufig global, sodass das LkSG sogar über Deutschland hinauswirkt.
- Das BAFA hat Befugnisse, um Maßnahmen von Unternehmen zu sichten und zu bewerten. Es kann so Einsicht in Prozesse gewinnen, die normalerweise Black Boxes für Rechteinhabende und zivilgesellschaftliche Organisationen bleiben.
Hürden sind die intransparenten Lieferketten im Palmöl-Bereich, sodass für Außenstehende – auch für Rechteinhabende – nur bedingt nachvollziehbar ist, welche Unternehmen das betreffende Palmöl verarbeiten und in welchem Maße diese Unternehmen Einfluss gelten machen können. Zudem ist offen, ob kleinteilige und lange Lieferketten eine Verantwortungsdiffusion befördern, sodass letztendlich die Profiteure des „Systems Palmöl“ nicht für Rechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Momentan wird über die Reformierung des LkSG und der europäischen Richtlinie gestritten. Das Beispiel Palmöl zeigt, wie wichtig es ist, weiterhin die gesamte Lieferkette in den Blick zu nehmen. Denn Rechtsverletzungen finden hier am Anfang statt, während Unternehmen entlang der gesamten Kette – von der Plantage bis zum Supermarkt – Profit machen.
1 Jared Olson, 10. Oktober 2024, Mongabay: U.S. court approves historic settlement for Honduran farmers’ case against the World Bank’s IFC; https://news.mongabay.com/2024/10/world-banks-ifc-must-pay-reparations-to-honduran-farmers-us-court-rules/.
2 Jared Olson, 5. Juni 2025, Redación Regional: La mafia de la palma mata de nuevo, La mafia de la palma mata de nuevo – Redacción RegionalRedacción Regional.
3 Olson 2024.
4 COMISIÓN INTERAMERICANA DE DERECHOS HUMANOS (CIDH), 6. Dezember 2016: RESOLUCIÓN 60/2016, Ampliación de beneficiarios a favor de integrantes de miembros, líderes y lideresas de la región del Bajo Aguán respecto de la República de Honduras, mc50-14-es-ampliacion.pdf; Ebd., 8 Mai 2014: Resolucion 11/2014, Asunto líderes y liderasas campensinas del Bajo Aguán respecto de la República de Honduras MEDIDA CAUTELAR No. 50-14, mc50-14-es.pdf,; Ebd., 26. Oktober 2023, CIDH presentó ante Corte IDH caso de Honduras por violaciones a derechos de integrantes de movimientos campesinos del Aguán, CIDH presentó ante Corte IDH caso de Honduras por violaciones a derechos de integrantes de movimientos campesinos del Aguán.
5 Leonardo Aguilar, 24. Februar 2023, Contra Corriente: Acuerdo para solucionar conflicto en el Aguán cumple un año manchado por asesinatos, Acuerdo para solucionar conflicto en el Aguán cumple un año manchado por asesinatos – Contra Corriente.
6 Office of the High Commissioner for Human Rights in Honduras, United Nations, 4. Mai 2025: Dignidad y lucha: El derecho a la tierra en Honduras, in Noticias ONU, Dignidad y lucha: El derecho a la tierra en Honduras | Noticias ONU.
7 United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA): Honduras: Situación de violencia en el Bajo Aguán Flash Update No 1, 13/2/2025 Honduras: Situación de violencia en el Bajo Aguán Flash Update No 1, 13/2/2025 | OCHA
8 Kevin Isdro, Claudia Mendoza, 4. Februar 2025, Centro de Estudio para la Democracia (CESPAD): Análisis Semanal | El Bajo Aguán y una declaratoria de emergencia que el gobierno de Castro desatiende, Análisis Semanal | El Bajo Aguán y una declaratoria de emergencia que el gobierno de Castro desatiende – Cespad
9 Plataforma Agraria, Comunicado, 3. Juni 2025, https://www.facebook.com/PlataformaAgrariaHn/posts/pfbid0wNacAaFL2qrvS4PFJ7Py9hxVmbTw1aLJpu86F3u3yE7PUmvkNnH7Y4pjre95JR91l.
10 Dominik Groß, Februar 2024, Romero Initiative (CIR): „Im Schatten der Ölpalme“- Palmöl-Report 2024, https://www.ci-romero.de/produkt/report-im-schatten-der-oelpalme/.
11 U.a. Olsen 2024; ebd. 6. November 2021, The Intercept_: Violent Infiltration
In Honduras Land Battles, Paramilitaries Infiltrate Local Groups — Then Kill Their Leaders, Intercept: Violent Infiltration; Journal of Rural Studies (2019), Andrés León Araya, Journal of Rural Studies Volume 71, October 2019, Pages 134-143: The politics of dispossession in the Honduran palm oil industry: A case study of the Bajo Aguán, The politics of dispossession in the Honduran palm oil industry: A case study of the Bajo Aguán.
12 Dominik Groß, 2024, Romero Initiative: RSPO in Glaubwürdigkeitskrise: Skandalunternehmen jetzt „nachhaltig“, https://www.ci-romero.de/palmoel-dinant-zertifiziert/.
13 Romero Initiative u.a., 2025: Appell: Stoppt die Gewalt im Aguán-Tal, Appell: Stoppt die Gewalt in Agúan!.

