Das Geschäft mit der Sicherheit: TÜV Süd und der Dammbruch von Brumadinho
Das Unternehmen TÜV SÜD zertifizierte über seine brasilianische Tochterfirma im September 2018 die Stabilität des Damms eines Rückhaltebeckens für Minenschlämme. Am 25. Januar 2019 aber brach der Damm und riss in der Gemeinde Brumadinho 272 Menschen in den Tod. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz hätte diese Katastrophe womöglich verhindert, zumindest jedoch die Chancen auf Entschädigung für die Opfer und Hinterbliebenen verbessert.
Tausende Menschen sind bis heute betroffen, haben Familie, Freunde, ihre Gesundheit, Häuser, Ländereien, Arbeit und Einkommen verloren. Die Entschädigungssituation ist sehr komplex, mit Betroffenen, die gar nicht als solche anerkannt werden, und anderen, die die Entschädigungssumme für viel zu niedrig halten. Noch heute leben die traumatisierten Menschen in Angst vor weiteren Dammbrüchen.
Laut dem monatlich herausgebrachten Bericht der Nationalen Bergbaubehörde gilt aktuell für 103 Dämme eine Gefahrenwarnung. Davon befinden sich 37 in Minas Gerais, dem Bundesstaat mit den meisten Dämmen in einer erklärten Notstandsituation (Stand: Mai 2025).[1] Der schwermetallhaltige Schlamm verseuchte darüber hinaus das Flusstal des Rio Paraopeba. Immer wieder strömen bei Starkregen- und Hochwasserereignissen, wie zuletzt im Januar 2022, toxische Schlämme bis in die Wohnungen der Menschen, die in der Nähe des Flusses leben. Die Verursacher haben die Schlämme nie umfassend beseitigt.

Der Damm gehörte zu einer Mine des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale S.A. 2018 hatte die brasilianische Tochterfirma der deutschen TÜV SÜD-AG die Stabilität des Damms bescheinigt, obwohl ihr die massiven Stabilitätsprobleme laut brasilianischer Staatsanwaltschaft schon bekannt waren.[2] Mit verheerenden Folgen: Die brasilianischen Behörden veranlassten keine Maßnahmen zur Sicherung. Die Ursache war mutmaßlich Korruption: Das Zertifizierungsunternehmen hatte mehrere zum Teil erheblich lukrativere Beratungsverträge von derselben Betreiberfirma Vale S.A. erhalten und fürchtete deren Entzug, falls sie die Stabilitätserklärung für den Damm verweigern würde, wie die Staatsanwaltschaft von Minas Gerais in ihrem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren feststellte.[3]
Doch die Verantwortungskette reicht bis nach Deutschland: Dokumente legen nahe, dass auch ein Mitarbeiter der Münchner TÜV-SÜD-Zentrale von den Problemen mit dem Damm frühzeitig Bescheid wusste – und womöglich sogar die Entscheidung traf, den Damm als stabil zu erklären.[4]

Das deutsche Lieferkettengesetz, das Anfang 2023 in Kraft getreten ist, schützt die Betroffenen in einem solchen Fall nicht angemessen, da es nur in engem Rahmen ein Recht auf eine saubere Umwelt vorsieht und keine zivilrechtliche Klagemöglichkeiten wegen der Verletzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten eröffnet.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie, wie sie im Juli 2024 Kraft getreten ist, würde den Schutz Betroffener deutlich verbessern. Die umweltrechtlichen Verbotstatbestände sind deutliche umfassender als die im deutschen Lieferkettengesetz vorgesehene Regelung. Zudem enthält die EU-Lieferkettenrichtlinie eine eigene zivilrechtliche Haftungsnorm. Wenn Prüfunternehmen durch Missachtung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten – sei es aus Fahrlässigkeit oder aufgrund von Korruption – Schäden mitverursachen, könnten Betroffene leichter Schadensersatzansprüche geltend machen. Zurzeit ist dies nur nach allgemeinen Zivilrecht möglich und mit hohen Hürden verbunden. Die EU-Richtlinie muss deshalb zügig von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Sie darf nicht durch den Omnibus-Prozess wieder verwässert werden.
[1] boletim-mensal-abril-2025.pdf
[2] Gude, Hubert/Klaus Hecking (2019): Brasilianische Richterin wirft TÜV Süd Versagen vor. Veröffentlicht unter: https://www.spiegel.de/wirtschaft/brasilien-richter-werfen-tuev-sued-versagen-vor-a-1269145.html
[3] Ministério Público do Estado de Minas Gerais (2019): Procedimiento Investigatorio Criminal n. MPMG, Inquérito Civil n. MPMG-0090.16.000311-8.
[4] Gude, Hubert/Klaus Hecking (2019).
Text aktualisiert: 24. Juni 2025