Koalitionsfraktionen einigen sich: Freie Bahn für das Lieferkettengesetz?
Aufgrund von erneuten Differenzen innerhalb der Regierung wurde das Lieferkettengesetz vor drei Wochen kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags gestrichen. Die Fraktionen haben den Streit nun offenbar beigelegt – nun muss das Gesetz noch vor der Sommerpause zur Abstimmung kommen!
02.06.2021 – Es klang nach Durchbruch: Am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass sich die Koalitionsfraktionen nun doch noch auf das Lieferkettengesetz geeinigt haben. Der Weg für die Abstimmung im Bundestag sei damit nun endlich frei, berichtete u.a. das Handelsblatt. In den sozialen Netzwerken tauschten die beteiligten Akteur*innen bereits Glückwunsche aus. Auch wir begrüßen die Einigung: Trotz aller Schwächen stellt das Lieferkettengesetz einen wichtigen Schritt zum Schutz von Mensch und Umwelt in den Lieferketten dar. Die Regierung würde mit dem Gesetz endlich ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nachkommen.
Das Problem: Das Gesetz ist noch immer nicht verabschiedet. Für uns ist klar: Das Lieferkettengesetz darf nicht in die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause geschoben werden, sondern muss nächste Woche im Bundestag zu Abstimmung kommen! Am 12.06. ist der Internationale Tag gegen Kinderarbeit – es wäre ein wichtiges Symbol, das Lieferkettengesetz kurz vorher zu verabschieden.
Auch die beiden großen Kirchen haben die Einigung der Koalitionsfraktionen in einer gemeinsamen Pressemitteilung begrüßt. „Gerade wir Deutschen profitieren von der globalisierten Wirtschaft und genießen die Möglichkeiten, die damit einhergehen“, meint Prälat Martin Dutzmann, der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Prälat Karl Jüsten, der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe – Katholisches Büro Berlin, ergänzt: „Es liegt deshalb auch in unser aller Verantwortung, den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt weltweit zu gewährleisten“. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann kommentierte: „Das Lieferkettengesetz ist ein hart errungener Erfolg der Parlamentarier, die in den vergangenen Wochen die Einigung verhandelt haben. Es ist aber vor allem ein Erfolg der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft, dass endlich ein Paradigmenwechsel vollzogen wird – weg von der freiwilligen Selbstverpflichtung, hin zu einer gesetzlichen Verpflichtung, Menschenrechte in globalen Wertschöpfungsketten zu respektieren.“
Das Lieferkettengesetz genießt eine große Unterstützung in der Bevölkerung: So stimmten in einer aktuellen, repräsentativen Umfrage der Verbraucherzentrale Bundesverband 85 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Politik alle Textilunternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte in der weltweiten Lieferkette verpflichten sollte. Bei einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im September 2020 unterstützen 75 Prozent der Befragten ein Lieferkettengesetz. Die Zustimmung für das Gesetz war bei Anhänger*innen aller Parteien groß – insbesondere auch bei den Anhänger*innen der CDU/CSU, die den Regierungsentwurf massiv abgeschwächt hat und in Teilen noch immer versucht, das Lieferkettengesetz zu verhindern.
Foto: Arbeiterin auf einer Teeplantage in Indien. (c) Roanna Rahman/Oxfam India