“Schrei nach Hilfe” für indigene Völker: Aktivistinnen aus Brasilien auf EU-Rundreise

Unsere Bündnisorganisation CIR hat die beiden Aktivistinnen Alice Pataxó und Tejubi Uru Eu Wau Wau nach Europa eingeladen. Die beiden indigenen Frauen kämpfen in Brasilien für den Schutz ihres Territoriums und für Klimagerechtigkeit. Während der zweiwöchigen Reise besuchten sie fünf Länder, um über die Situation der indigenen Bevölkerung in Brasilien und ihr Engagement zu berichten. Die Reise endete mit einem Runden Tisch zum geplanten EU-Lieferkettengesetz unter Beteiligung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Axel Voss und Martin Häusling sowie der Parlamentarischen Staatssekretärin des BMZ, Dr. Bärbel Kofler, in Brüssel.

Brüssel/Münster, 8. Juni 2022 – Alice Pataxó, bürgerlich Alice Maciel de Souza, ist eine der bekanntesten indigenen Influencerinnen und Aktivistinnen Brasiliens und gehört der indigenen Gruppe der Pataxó an. Mit einer Reichweite von über einer viertel Millionen Follower*innen macht sie in den sozialen Medien auf Klimaschutz, indigene Rechte und Missstände in Brasilien aufmerksam.

Tejubi Uru Eu Wau Wau hat als erste Frau eine Führungsposition des Volkers der Uru Eu Wau Wau übernommen. Sie setzt sich aktiv für den Schutz ihres Territoriums ein und verfolgt die Bewegungen von Eindringlingen wie illegalen Goldgräber*innen. Diese Arbeit ist alles andere als ungefährlich – Tejubi verlor in den letzten Jahren zwei Onkel, die sich für den Schutz indigener Territorien einsetzten.

Zudem ist Tejubi betroffen von einem Gerichtsverfahren unter dem französischen Lieferkettengesetz: Dort wird die französische Supermarktkette Casino von indigenen Gruppen aus dem Amazonasgebiet verklagt, weil sie Rindfleisch verkauft haben soll, das mit der Abholzung von Regenwäldern in Verbindung steht. Die 11 indigenen Gruppen, darunter auch die Uru Eu Wau Wau, die von Nichtregierungsorganisationen in den USA und Frankreich unterstützt werden, fordern 3,1 Mio. Euro Schadensersatz. Dieses Verfahren ist nur aufgrund der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen unter dem französischen Lieferkettengesetz möglich, die wir ebenfalls für das EU-Lieferkettengesetz fordern.

In Podiumsdiskussionen, nicht-öffentlichen Hintergrundgesprächen mit politischen Entscheidungsträger*innen und Treffen mit europäischen Aktivist*innen, haben Alice und Tejubi über ihren Alltag und die prekäre Situation vieler indigener Gemeinschaften in Brasilien berichtet. Die Gewohnheitsrechte an ihren traditionellen Territorien werden missachtet und Monokulturen von Soja, Eukalyptus oder riesige Rinderfarmen zerstören ihre Lebensgrundlage.

Ihr Appell an politische Entscheidungsträger*innen in Europa: Es braucht Gesetze, um europäische Unternehmen, die Rohstoffe aus Brasilien importieren, für den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte vor Ort verantwortlich zu halten.

Dafür fand Alice eindringliche Worte: Die Reise sei auch ein „Schrei nach Hilfe“ für indigene Völker. Sich selbst bezeichnet sie weder als Aktivistin noch Influencerin, sondern als Kämpferin. Dabei machte Alice deutlich, dass sie nicht nur für indigene Rechte kämpfe, sondern ein gutes Leben für alle Menschen ihr Ziel sei. Nur mit dem Schutz der Umwelt könne dieses gute Leben für alle Menschen Realität werden.

Im Anschluss an den Runden Tisch in Brüssel war Axel Voss, Schattenberichterstatter für die Vorlage des Europäischen Lieferkettengesetzes, noch zu einem kurzen Austausch mit Alice, Tejubi und der CIR bereit. Schwerpunkt des Austauschs war die Aufnahme des Schutzes von indigenen Landrechten in das EU-Lieferkettengesetz, insbesondere durch die Aufnahme der ILO-Konvention 169 in den Annex der Rechtsgüter sowie einen Verweis auf das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung in Angelegenheiten, die indigene Gemeinschaften betreffen. Axel Voss begrüßte die Forderungen der CIR nach Landrechten und sagte zu, die Möglichkeit der Aufnahme von Landrechten in das Lieferkettengesetz weiter zu verfolgen.

Die Rundreise fand im Rahmen der EU-Kampagne „Our Food. Our Future“ statt.

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