7 aktuelle Gründe, warum wir ein Lieferkettengesetz brauchen
Das Lieferkettengesetz ist nach wie vor ein umstrittenes Thema. In letzter Zeit waren in der Debatte immer wieder auch Gegenargumenten zu hören, die auf Fehlinformationen beruhen. Dabei gibt es viele gute Gründe, die für ein wirksames Lieferkettengesetz sprechen. Höchste Zeit, diese wieder in den Fokus zu rücken!
Berlin, 21.12.2020 – Eine Langfassung unserer sieben aktuellen Argumente für ein Lieferkettengesetz findet ihr hier. Für alle, die nicht so viel Zeit haben, gibt es hier die Zusammenfassung:
1. Menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfalt sind auch für Unternehmen von Vorteil.
Wenn Unternehmen soziale und ökologische Risiken ignorieren, kann das für sie gefährlich werden: Menschenrechtskatastrophen und Umweltzerstörung haben negative Effekte auf ihre Reputation, auf ihre Legitimität und auf die Bindung von Kund*innen und Investor*innen. Ein Lieferkettengesetz verpflichtet sie dazu, verantwortungsvoll zu handeln – was diese Effekte vermeidet. Nicht nur das: Unternehmen, die ihre Sorgfaltspflichten ernst nehmen, sind oft auch produktiver und daher wettbewerbsfähiger. Die Kontrolle und Umsetzung von Arbeits- und Umweltstandards mag kurzfristig Kosten verursachen – langfristig spart sie Kosten.
2. Ein Lieferkettengesetz schafft Rechtssicherheit und gleiche Regeln für alle.
Derzeit scheuen viele Unternehmen notwendige Investitionen, um Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards zu überwachen – weil die Konkurrenten nicht mitziehen. Wenn diese mit einem Lieferkettengesetz aber mitziehen müssten, blieben die Kosten laut einer Studie der EU-Kommission überschaubar. Die technischen Lösungen dazu wie z.B. die Blockchain gibt es schon heute. Ein Lieferkettengesetz schafft die notwendigen Anreize, sie auch umzusetzen.
3. Ein Lieferkettengesetz hat entwicklungspolitischen Nutzen.
Wenn sich Unternehmen an soziale und ökologische Standards halten und so die Arbeitsbedingungen verbessern, dann profitieren die Arbeiter*innen entlang der Lieferketten unmittelbar davon. Klar: Für viele Regionen z.B. Afrikas sind Investitionen von außen essentiell – aber nur, wenn sie nicht auf Kosten der Menschenrechte und Umwelt gehen. Nur so sind Investitionen im Sinne der globalen Nachhaltigkeitsziele. Dafür sorgt das Lieferkettengesetz.
Es gibt keinerlei Belege, dass vergleichbare Gesetze in anderen Ländern dafür gesorgt hätten, dass sich Unternehmen aus bestimmten Regionen zurückziehen oder Lieferbeziehungen kappen. Oft ist das auch gar nicht möglich: Viele Rohstoffe gibt es nur in wenigen Ländern in der erforderlichen Menge und Qualität.
4. Ein Lieferkettengesetz wirkt nur mit einer Haftungsregelung.
Ein zentrales Motiv für ein Lieferkettengesetz ist es, die Rechte der Betroffenen zu stärken. Dafür muss ein Lieferkettengesetz eine Haftungsregelung enthalten. Wichtig: Kein Unternehmen soll für das Fehlverhalten Dritter verantwortlich gemacht werden! Ein Unternehmen haftet nur dann, wenn es die eigenen Sorgfaltspflichten verletzt und dadurch kausal ein Schaden entsteht, der vorhersehbar und vermeidbar war. Eine solche Haftungsregelung schafft Rechtssicherheit, wovon Unternehmen profitieren. Die Erfahrung mit vergleichbaren Gesetzen in anderen Ländern zeigt: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es zu einer „Klagewelle“ kommt.
5. Ein Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur Bemühung – nicht zum Erfolg.
Ein wesentlicher Grundsatz des Lieferkettengesetzes ist die Angemessenheit der Maßnahmen. Das bedeutet: Unternehmen können selbst einschätzen, was für sie möglich, zumutbar und zweckmäßig ist. Sie müssen nicht sofort alle Missstände bearbeiten, sondern dürfen je nach Schwere des Risikos priorisieren. Und, ganz wichtig: Unternehmen haben laut der UN-Leitprinzipien nur die Pflicht, sich zu bemühen – sie haben keine Erfolgspflicht. Das heißt: Wenn ein Unternehmen sich bemüht hat und alle ihm möglichen Maßnahmen ergriffen hat, um einen Missstand zu beenden, dann kann es nicht mehr haftbar gemacht werden, wenn es dann doch noch zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung kommt.
6. Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig resiliente Lieferketten sind.
Die Corona-Krise verschärft gerade die Probleme, die ein wirksames Lieferkettengesetz lösen kann: Die Pandemie trifft die Menschen in prekären Beschäftigungssituationen am Anfang vieler globalen Lieferketten am härtesten. Ein Lieferkettengesetz ist ein zentraler Baustein, diese Beschäftigten besser zu schützen. Außerdem hat die Krise uns alle daran erinnert, wie verletzlich globale Lieferketten derzeit sind. Eine aktuelle OECD-Studie zeigt dagegen, dass sozial und ökologisch handelnde Unternehmen die Krise besser überstehen. Ihr Lieferketten sind resilienter, wovon sie auch mittel- und langfristig profitieren.
7. Nur mit einem nationalen Lieferkettengesetz kann die Bundesregierung eine europäische Regelung mitgestalten.
Ein europäisches Lieferkettengesetz wird immer wahrscheinlicher. Doch wie es aussehen soll, ist weiterhin unklar. Mit einem wirksamen Lieferkettengesetz würde Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation der EU ein starkes Signal für eine ambitionierte europäische Regelung setzen. Nur so hätte die Bundesregierung die Glaubwürdigkeit, eine kommende EU-Regelung konkret mitzugestalten.