EU macht großen Schritt für Menschenrechte und Umwelt – was heißt das für das Lieferkettengesetz?
Der Rechtsausschuss des Europaparlaments hat für ein europäisches Lieferkettengesetz gestimmt – und er hat auch schon sehr konkrete Vorstellungen, wie es aussehen sollte. Warum das ein großer Erfolg ist, wir aber trotzdem unbedingt ein deutsches Lieferkettengesetz brauchen, erklären wir euch hier.
28. Januar 2021 – Es ist ja so eine Sache mit der EU-Gesetzgebung: Brüssel wirkt oft weit weg, die Strukturen und Prozesse sind kompliziert. Aber was da gestern im Rechtsausschuss des Europaparlaments passiert ist, das hatte es in sich: 26 Ja-Stimmen, eine Gegenstimme, eine Enthaltung. Was für ein klares Ergebnis! Der Ausschuss hat damit für einen Vorschlag gestimmt, wie ein europäisches Lieferkettengesetz aussehen sollte – nämlich wirksam. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu vermeiden. Kommen Unternehmen dem nicht nach, sollen sie sanktioniert und haftbar gemacht werden können.
In der EU ist es die Kommission, die für neue Gesetze zuständig ist. Es gibt aber einen Weg, wie das Europaparlament die Kommission dazu auffordern kann, tätig zu werden: Mit dem „legislativen Initiativbericht“. Auf diesem Weg befindet sich das EU-Parlament gerade. Mit der gestrigen Abstimmung des Rechtsausschusses liegt nun ein konkreter Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz auf dem Tisch. Das ist ein riesiger Schritt – und ein großer Erfolg für die vielen NGOs, die seit Jahren dafür gekämpft haben. Das Europaparlament muss diesen Vorschlag jetzt noch im März bestätigen, danach ist die Kommission am Zug. Der Druck, für eine wirksame Regelung zu sorgen, ist jetzt da. Unsere Vorstellungen, wie ein europäisches Lieferkettengesetz aussehen sollte, haben wir der Kommission übrigens bereits in einer Stellungnahme verdeutlicht.
Ist damit also alles gut? Können wir uns in Deutschland jetzt zurücklehnen, weil sich ja nun die EU um alles kümmert? Nein, ganz im Gegenteil. Ein deutsches Lieferkettengesetz ist wichtiger denn je. Denn das EU-Lieferkettengesetz ist alles, nur kein Selbstläufer. Der Weg dahin ist noch lang, voller Hindernisse und wird vermutlich noch mehrere Jahre dauern.
Deshalb ist es entscheidend, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht. Wenn die größte Volkswirtschaft Europas ihren Unternehmen klare Regeln in Sachen Menschenrechte und Umweltstandards vorgibt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die EU nachzieht: Das deutsche Lieferkettengesetz könnte zur Blaupause für eine europäische Lösung werden. Deswegen ist ein wirksames, weitreichendes Gesetz in Deutschland so wichtig – und ein schwaches Gesetz so fatal. Schon jetzt geht der Vorschlag des EU-Rechtsausschusses an bestimmten Stellen über das hinaus, was in Deutschland diskutiert wird, vor allem in Sachen Haftung und in der Frage, welche Unternehmen das Gesetz erfassen soll.
An diesen Stellen muss die Bundesregierung also dringend nachbessern. Sollte das nicht gelingen oder sollte das Lieferkettengesetz am Ende sogar komplett scheitern, obwohl es im Koalitionsvertrag angekündigt war: Es wäre ein fatales Signal nach Brüssel. Die Glaubwürdigkeit Deutschlands wäre beschädigt, konstruktiv an einer europäischen Lösung mitzuarbeiten.
Kommt in einigen Jahren ein europäisches Lieferkettengesetz, so müsste dieses als EU-Richtlinie ohnehin in nationales Gesetz gegossen werden. Sprich: Ein deutsches Lieferkettengesetz käme auch dann. Nur hätte es Deutschland versäumt, die Inhalte aktiv mitzugestalten und hiesige Unternehmen in eine Vorreiterposition zu bringen. Und: Das Gesetz käme mit vielen Jahren Verzögerung. Eine Verzögerung, die wir den Betroffenen von Dammbrüchen, Fabrikbränden, Landraub und Minenunglücken nicht zumuten dürfen.
Foto: Baumwollernte in Gujarat, Indien / (c) Petra Welzel, ver.di