Das Deutsches Lieferkettengesetz darf nicht ausgesetzt werden

Nach der Zustimmung des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten am 15.3.24 und des Europäischen Parlaments am 24.4.24 steht der formalen Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes (Corporate Sustainability Due Diligence Directive CSDDD) Ende Mai nichts mehr im Wege. Als Träger der Initiative Lieferkettengesetz sind wir zwar enttäuscht über die gravierende Abschwächung gegenüber dem Richtlinientext gemäß Trilogeinigung vom Dezember 2023 und die Enthaltung der Bundesregierung. Dennoch begrüßen wir die EU-Richtlinie als großen Fortschritt für den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in den Wertschöpfungsketten großer europäischer Unternehmen. Von der Bundesregierung und dem Bundestag erwarten wir daher eine zeitnahe und ambitionierte Überführung der CSDDD in das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die die verbesserten Regelungen der CSDDD für den Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima übernimmt, ohne andere Bestimmungen des LkSG abzuschwächen.

Beunruhigt sind wir über Forderungen der FDP, das LkSG auszusetzen, bis die CSDDD in nationales Recht umgesetzt wird, sowie über Äußerungen von Wirtschaftsminister Habeck, das LkSG solle freundlicher und pragmatischer ausgestaltet werden und damit schlanker in der Umsetzung.

Das deutsche Lieferkettengesetz zeigt im globalen Süden schon erste Wirkungen, da sich Unternehmen viel ernsthafter bemühen, Arbeitsrechtsverletzungen zu untersuchen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Beispielsweise berichten Gewerkschaften aus Pakistan, dass sie von den lokalen Zulieferunternehmen inzwischen sehr viel stärker einbezogen werden. Kürzlich hat sogar ein Zulieferer des Textildiscounters KiK einen Vertrag mit dem nationalen Gewerkschaftsverband Pakistans unterschrieben.

Eine aktuelle repräsentative Untersuchung von Handelsblatt und Creditreform zeigt: Nur sieben Prozent der deutschen Unternehmen lehnen gesetzliche Sorgfaltspflichten ab. 81 Prozent geben an, diese bereits vollständig oder teilweise umzusetzen. Viele erkennen auch betriebswirtschaftliche Chancen, etwa hinsichtlich der Reputation, Produktqualität und der Resilienz von Lieferketten. Ausdrücklich kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass „der Ruf der Verbände nach einer Verhinderung der Richtlinie […] nicht der überwiegenden Einstellung der Unternehmen entspricht.“

Ein Aufweichen oder gar Aussetzen des LkSG durch die Regierung würde nicht nur die Gesetzgebungskompetenz des Bundestags untergraben, ein „Aussetzen“ eines vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Es wäre auch kontraproduktiv für die betroffenen Unternehmen. Wir teilen zwar die Absicht vieler Stakeholder, den Bürokratieabbau in Deutschland als Treiber einer beschleunigten Transformation anzugehen. Wir teilen aber nicht die Argumentation, dass neue menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten „Bürokratie“ darstellen.

Die Bundesregierung hat bereits umfangreiche Schritte zu Effizienzsteigerungen bei den Berichtspflichten für deutsche Unternehmen angekündigt. Mit dem erneuten Verschieben der Berichtspflichten aus dem LkSG ist die Bundesregierung den Anliegen einiger Unternehmen und ihrer Verbände bereits klar entgegengekommen. Eine weitere Verschlankung des LkSG sehen wir nicht als erforderlich an. Zukünftige Anpassungen des LkSG sollten vielmehr im Rahmen der nationalen Umsetzung der CSDDD erfolgen. Für diesen Umsetzungsprozess in nationales Recht sehen wir die deutschen Unternehmen durch das LkSG in einer Vorreiterposition, die sich nach Inkrafttreten der CSDDD als wichtiger Wettbewerbsvorteil erweisen wird.

Bei der nationalen Umsetzung der CSDDD ist grundsätzlich zu beachten, dass die EU-Richtlinie Mindestanforderungen formuliert. Hinsichtlich der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Schutzgüter, Klimapläne, Definition der Aktivitätskette, Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten, Beteiligung von Interessensgruppen, Bußgeldhöhe, zivilrechtlichen Haftung und des Zugangs zu Recht müssen die Vorgaben der CSDDD daher mindestens vollumfänglich in das LkSG überführt werden. Ebenso wichtig ist, dass die CSDDD gemäß Artikel 1 Absatz 2 nicht dafür herangezogen werden darf, einen bereits national bestehenden Schutz der Menschenrechte und Umwelt abzuschwächen. Insbesondere darf der geltende persönliche Anwendungsbereich des deutschen LkSG daher nicht eingeschränkt werden. Denn eine zusätzliche Umsatzschwelle würde die Anzahl der in Deutschland erfassten Unternehmen je nach Schätzung um die Hälfte bis zwei Drittel reduzieren. Der Schutz von Umwelt und Menschenrechten in den Lieferketten der aus der Verantwortung entlassenen Unternehmen würde damit entgegen den Vorgaben der Richtlinie abgeschafft. Entsprechend verbietet sich in Deutschland auch eine stufenweise Anwendung, die im ersten Jahr mit Unternehmen ab 5.000 beginnen würde.

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