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Pressestatement vom 09.09.2022

10 Jahre nach Fabrikbrand bei KIK-Zulieferer – Deutsches Lieferkettengesetz greift zu kurz – Bundesregierung hat die Chance in der EU die Rechte der Geschädigten zu verbessern

Berlin, 09.09.2021. Am 11. September 2012 starben 258 Menschen, als die Fabrik des KIK-Zulieferers Ali Enterprises in Pakistan bis auf die Grundmauern niederbrannte. Anlässlich des 10. Jahrestags des Fabrikbrands kommentiert die Koordinatorin der „Initiative Lieferkettengesetz“ Johanna Kusch:

Der Fabrikbrand bei Ali Enterprises steht bis heute exemplarisch für die verheerenden Arbeits- und Produktionsbedingungen in den globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten – nicht nur in der Textilindustrie. Die organisierte Verantwortungslosigkeit seitens Auftraggeber, Tochterfirmen, Zulieferern und Zertifizierern blieb ohne rechtliche Konsequenzen. Für die Betroffenen – Überlebende und Hinterbliebene – waren die Hürden gegen die verantwortlichen Unternehmen aus Europa schier unüberwindlich. Diesem Unrecht ein Ende zu setzen, ist unser Ziel.

Das deutsche Lieferkettengesetz bringt zwar einige Verbesserungen, doch für Betroffene bleibt es fast unmöglich, Entschädigung einzuklagen, wenn ein europäisches Unternehmen im Ausland seine menschen- oder umweltrechtlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Gesetz greift zu kurz, denn es regelt keine zivilrechtliche Haftung. Und so müssen Angehörige von Todesopfern weiterhin viel zu oft nicht nur den Verlust hinnehmen, sondern stehen auch mittellos da.

Der Entwurf der EU-Kommission für ein europäisches Lieferkettengesetz, das der Europäische Rat und das Europäische Parlament derzeit verhandeln, geht ebenfalls nicht weit genug. Noch ist Zeit für Nachbesserungen und diese Chance sollte die Bundesregierung nutzen: Ein EU-Lieferkettengesetz muss auch kleine und mittelständische Unternehmen erfassen, die gerade im Textilsektor üblich sind, und so Sorgfaltspflichten für die ganze Wertschöpfungskette vorschreiben. Zudem muss das EU-Gesetz es allen Geschädigten ermöglichen, erfolgreich Schadensersatz vor Gericht einzuklagen –  dazu gehört insbesondere auch eine faire Beweislastverteilung. Dafür muss sich die Ampel im Europäischen Rat einsetzen.

Die Initiative Lieferkettengesetz gründete sich am 11. September 2019 bewusst zum Jahrestag dieser unternehmensgemachten Katastrophe. Gestartet als Bündnis aus 64 zivilgesellschaftlichen Organisationen vereint die Initiative mittlerweile über 130 Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Gewerkschaften und kirchliche Akteure.

Hintergrund zum Fabrikbrand bei Ali Enterprises:

Im September 2012 starben 258 Arbeiter*innen bei einem Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in der Stadt Karatschi in Pakistan. Mindestens 32 Menschen wurden verletzt, teilweise lebensgefährlich. Die Arbeiter*innen erstickten oder verbrannten, weil viele Fenster vergittert, Notausgänge verschlossen und nur eine Tür des Gebäudes geöffnet war. Wichtigster Kunde der abgebrannten Fabrik war das deutsche Textilunternehmen KiK, das nach eigenen Angaben im Jahr 2011 bis zu 75 Prozent der Produktion kaufte.

Man habe regelmäßig die Arbeitsplatzsicherheit und sonstige Arbeitsbedingungen durch Audit-Firmen begutachten lassen, versichert KiK.  Außerdem gibt KiK an, auch mit eigenen Mitarbeiter*innen vor Ort bei seinen Zulieferern zu sein. Damit kannte KiK die Arbeitsbedingungen und baulichen Details der Fabrik – oder hätte sie kennen müssen. Wenige Mittel hätten ausgereicht, um bei dem Brand vielen Menschen das Leben zu retten. Dies belegt unter anderem eine Computersimulation des Forschungsprojekts „Forensic Architecture“ der Goldsmiths-Universität London aus 2017. Als Hauptkunde hätte KiK bessere Brandschutzvorkehrungen durchsetzen können. Fragwürdig ist auch die Rolle des italienischen Zertifizierungsunternehmens RINA. Dieses stellte der Fabrik noch wenige Wochen vor dem Brand ein Siegel für hohe Sicherheits- und Sozialstandards aus.

Im März 2015 reichten vier Betroffene beim Landgericht Dortmund Zivilklage gegen KiK ein und
forderten je 30.000 Euro Schmerzensgeld. Die Klage war die erste dieser Art in Deutschland. Im
Januar 2019 wies das Gericht die Klage jedoch wegen Verjährung nach pakistanischem Recht ab. Nicht inhaltliche, sondern formale Gründe entschieden somit den Fall. Die eigentlichen Fragen zur Unternehmenshaftung blieben unbeantwortet. Ein EU-Lieferkettengesetz, das Schadensersatzansprüche bei unternehmensbezogenen Menschenrechtsverletzungen klar regelt, würde sowohl für Betroffene als auch für Unternehmen Rechtssicherheit schaffen. Die Betroffenen hätten sich von Anfang an auf die Haftung der Unternehmen beziehen können und das Gericht hätte die eigentliche Frage nach der rechtlichen Verantwortung von KiK für den Schaden gerichtlich klären können.

Pressekontakt „Initiative Lieferkettengesetz”:

Anabel Bermejo, , Tel.: 0172 587 0087, E-Mail: presse@lieferkettengesetz.de  

Die Initiative Lieferkettengesetz wird getragen von:

Amnesty International, Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., INKOTA-netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Oxfam Deutschland e.V., SÜDWIND e.V., ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.

Presse-Downloads

Hier gibt es Presse-Material. Unter Mitmachen gibt es weiteres Material der Initiative. Für Presseanfragen: presse@lieferkettengesetz.de

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