Kanzleramt stoppt Vorstoß für Lieferkettengesetz? 6 Dinge, die ihr dazu jetzt wissen solltet!
Am Ende wurde nichts aus der angekündigten Vorstellung der „Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz“ von BMZ und BMAS. Dabei hätte es ein guter Tag werden können: Gut für all jene, die darunter leiden, dass deutsche Unternehmen immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Kauf nehmen. Was ist passiert – und was bedeutet das jetzt?
Am 10. März machte ein Medienbericht die Runde: Das Kanzleramt habe Entwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil bei ihren Plänen für ein Lieferkettengesetz einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und auch das Wirtschaftsministerium blockt: Die Minister würden vereinbarte Verfahren überspringen und „ins Blaue hinein schießen“. Stimmen die Vorwürfe? Und was bedeuten diese Entwicklungen für das Lieferkettengesetz? Hier die sechs wichtigsten Dinge, die ihr dazu wissen müsst:
1. Worum geht es hier eigentlich?
Die beiden Minister Heil (BMAS) und Müller (BMZ) wollten „Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz“ vorstellen, also für ein Gesetz, das Unternehmen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt verpflichtet. Doch dann hat das Kanzleramt sie zurückgepfiffen. So berichtet es zumindest das Redaktionsnetzwerk Deutschlands unter Berufung auf „Regierungskreise“. Das BMAS stellt es etwas anders dar: Die Verschiebung habe mit den aktuellen Corona-Entwicklungen zu tun. So oder so: Ursprünglich waren die Eckpunkte schon für Februar angekündigt. Doch wir warten immer noch darauf. Höchste Zeit, dass dieses Papier jetzt auf den Tisch kommt!
2. Stimmt es, dass die beiden Minister von einem vereinbarten Verfahren abweichen?
Nein – sie halten sich an das vereinbarte Verfahren: Die Bundesregierung hat beschlossen, zunächst per Umfrage herauszufinden, ob sich Unternehmen freiwillig an die Menschenrechte halten. Zwei von drei Phasen dieser Befragung sind inzwischen abgeschlossen. Die Minister Heil und Müller halten auch an der dritten Phase fest. Nur: Sie haben parallel dazu begonnen, an einem Gesetz zu arbeiten. Das ist auch nötig: Die bisherigen Ergebnisse der Umfrage sind katastrophal.
3. Kommt der Vorschlag der beiden Minister „verfrüht“, weil sich die Unternehmensbefragung noch in einer „Pilotphase“ befindet?
Die Pilotphase ist längst vorbei: Sie lief 2018 – jetzt schreiben wir das Jahr 2020. Inzwischen sind zwei von drei Umfrage-Phasen abgeschlossen. Es wird also Zeit, sich mit einem Gesetzentwurf zu beschäftigen! Zur Erinnerung: Die Legislaturperiode dauert nur noch bis 2021. Wenn die Bundesregierung (wie im Koalitionsvertrag angekündigt) noch ein Gesetz erlassen will, muss sie also in die Gänge kommen. Verfrüht ist hier wirklich gar nichts…
4. Was hat die Unternehmensbefragung bis jetzt ergeben?
Zwei von drei Phasen des sogenannten „NAP-Monitorings“ sind abgeschlossen. Im vor wenigen Tagen veröffentlichten zweiten NAP-Zwischenbericht steht schwarz auf weiß: Nur 17 bis 19 Prozent der Unternehmen gelten als „Erfüller“. Das heißt: Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen setzt die Anforderungen an die menschenrechtliche Sorgfalt angemessen um! Nichts deutet darauf hin, dass sich diese Zahl in der dritten Befragungsphase noch signifikant ändert.
5. Stimmt es, dass ein Lieferkettengesetz „einfach ins Blaue schießt“?
Auch ohne Befragung von Unternehmen war schon lange klar, dass ein freiwilliger Ansatz zum Schutz der Menschenrechte nicht ausreicht. Denn Unternehmen sind nachweislich immer wieder beteiligt an Kinderarbeit, Umweltverschmutzung oder Arbeitsschutzverletzungen. Die Befragung hat genau das nochmal bestätigt. 3.200 Unternehmen hat die Bundesregierung befragt – mit einem Verfahren, das zwischen den verschiedenen Ministerien in endlosen Debatten abgestimmt wurde. Die Minister Heil und Müller schießen also nicht ins Blaue – die Frage ist eher: Treffen sie ins Schwarze? Denn damit es wirkt, muss ein Lieferkettengesetz fünf Anforderungen erfüllen.
6. Ist das Lieferkettengesetz jetzt vom Tisch?
Nein, ganz im Gegenteil: Die Auseinandersetzung um ein Lieferkettengesetz wird gerade so intensiv geführt wie noch nie! Wichtig ist, dass wir dem Kanzleramt und dem Wirtschaftsministerium jetzt klarmachen: Wir sind viele! Wir sind über 90 zivilgesellschaftliche Organisationen, fast 150.000 Menschen haben unsere Petition unterzeichnet, 50 deutsche Unternehmen haben sich der Forderung angeschlossen. Wir sind nicht nur viele – wir bleiben auch laut!
Unterschreibe auch du unsere Petition an Bundeskanzlerin Merkel! Denn: Gegen Gewinne ohne Gewissen hilft nur noch ein gesetzlicher Rahmen.